Archiv für Juli, 1943

In der Umwertung

Donnerstag, 22. Juli 1943

Ich war zu dieser Zeit noch nicht in der B I Bedienung, sondern noch in der Umwertung. Wir machten ungefähr folgendes: Wenn ein Flugzeug kam, peilte es das FuMG [„Funkmessgerät“, heute Radar] an und wir stellten fest, wenn der augenblickliche Standort des Flugzeuges in der Luft auf die Erdoberfläche heruntergelotet wird, in welchem auf einer ausgebreiteten Karte eingezeichneten Quadrat es sich befand. Diese Quadrate wurden dann an die Nachtjägerleitstelle durchgegeben und die wies die Nachtjäger ein. Dann hatte die Umwertung noch den Zweck, den Zielweg des Flugzeuges aufzuzeichnen. Auch sollten wir damit andere Batterien aufs Ziel einweisen. Dies alles war für mich eine recht interessante Angelegenheit, zumal ich da während der Lufttätigkeit in der ZbV [„zur besonderen Verwendung“] Bude saß. Daß der ZbV Bunker ganz nahe am, beimit im B I Stand stand, hatte seinen guten Grund. B I und ZbV gehörten immer zusammen. Dort liefen alle Meldungen aus der Batterie zusammen und trafen Meldungen von außerhalb ein. Hier war während des Gefechts alles vertreten, was Rang und Namen hatte. Hier traf der Chef seine Entschlüsse und leitete der Maßoffizier das Schießen. Ich habe dort während meiner Anwesenheit in vielen Sachen Einblick bekommen und viele andere Situationen im Gefechtsstand mit angehört, von denen die Mehrzahl der Batterie-Angehörigen nicht wußten.

Ich war nun mit daran beteiligt, den Zielweg aufzuzeichnen. Wir konnten schön sehen, wie das Flugzeug fliegt. Es wurde eine unangenehme Sache, wenn sich der Seitenwinkel zum Feindflugzeug nicht veränderte. Da flog die Maschine genau auf uns zu. Dann waren wir stets im Ungewissen, was nun folgen würde. Krachte es laut, dann hätten wir gewußt, daß die Maschine Bomben geworfen hat, die eventuell unserer Batterie gelten sollten. Aber meistens war es so: Bei einem geraden An[flug] schossen wir doch unter erleichterten Bedingungen, weil ja der Seitenwinkelvorhalt wegfiel. Und bei den ersten Schüssen zog es „Ivan“ vor in einer eleganten Kurve abzuschwirren, schmiß seine Eier irgendwo hin und schlug östliche Richtung ein.

Steigender Munitionsverbrauch

Sonntag, 11. Juli 1943

So floß das Leben ruhig und zufrieden dahin. Urlauber kamen und gingen. Sie brachten interessante Neuigkeiten aus der Heimat mit. Auch mein Freund Gerhard und ich rechneten schon mit Urlaub. Zur Hebung des geistigen Niveaus in der Batterie richtete die Batterieführung sogenannte Arbeitsgemeinschaften ein. Ich hatte die hohe Ehre, die Arbeitsgemeinschaft für Stenographie leiten zu dürfen. Unteroffiziere und Mannschaften wollten durch mich in die hohe Kunst des schnellen Schreibens eingeweiht werden. Wir kamen aber nicht dazu, weil da der Stellungswechsel dazwischen kam.

Im Ju[l]i entbrannte die gewaltige Schlacht bei Orel, wo die deutsche und die russische Offensive zusammenstießen. Die deutsche Luftwaffe flog von unserem Horst aus in diesen Kampfraum. Es waren meistens [Heinkel] He 111 oder [Junkers] Ju 88 Verbände von etwa 40 – 50 Maschinen. Ebenfalls flogen Jäger dorthin. Mir wurde es direkt unheimlich in dieser Zeit. Großeinsätze unsererseits und der Russe kam nur mal nachts, machte Blitzlichaufnahmen oder schmiß einige Bomben. Unsere Ansicht war, daß bald einmal ein Großangriff auf den Platz erfolgen würde und dazu klärt er jetzt nachts auf, weil er am Tage nur in großer Höhe hinweg fliegen kann. Nacht für Nacht war feindliche Flugtätigkeit. Wir konnten manchmal erst in die Barracke gehen als die Sonne den neuen Tag ankündigte. Es war auch manchmal ganz spannend und aufregend, wenn Bomben ganz in unserer Nähe einschlugen. In unserer Protze brannten Häuser ab und die Telefonleitung nach der Protze wurde mehrmals getroffen. Ein anderes Mal mußten wir die Kraftfahrer aus der Protze in die Batterie beordern. Wir brauchten die nachts zum Heranschleppen von Munition. Es war keine Seltenheit, wenn wir in einer Nacht 800, 1000, ja sogar 1200 Schuß in den Himmel jagten. Sichtbare Erfolge waren aber nicht zu bemerken. Am nächsten Morgen wurde ein Kfz losgeschickt und der holte neue Munition heran, so viel wir haben wollten. Bei uns war es nicht so wie beim Heer, wo man nur so und so viel Schuß bekam und nur so viel Schuß verschießen durfte, wie der Stab genehmigte, wenn man überhaupt schießen durfte.

Partisanenbanden

Sonntag, 4. Juli 1943

Für uns ganz unerwartet besuchte uns der Eichenlaubträger Generaloberst Ritter von Greim, Führer der Luftflotte 6. Einige Zeit später mußten wir die Stellung mit Nahverteidigungsständen umgeben. Weil diese Gegend mit Partisanen durchsetzt war. In etwa 40 km westlich von uns befand sich eine größere Bandengruppe. Dorthin flogen von unserem Flugplatz immer [Arado] Ar 66 und [Focke-Wulf] Fw 58, ganz alte und langsame Maschinen. Die reichten zu, um diese Bandennester in die Luft gehen zu lassen. Zur Abwechslung flogen auch mal 4 [Messerschmitt] Me 110 dorthin und „spielten“ mit diesen Dunkelmenschen. Auch in unserer näheren Umgebung war die Aktivität der Banden bemerkbar. Auf dem Rollfeld flogen mal einige [Heinkel] He 111 in die Luft. Daraufhin wurden bei allen Einheiten Belehrungen über eine Haftsprengladung, die man gefunden hatte, durchgeführt. Ein LKW unserer 2. Batterie fuhr auf eine Miene. Ergebnis: 2 Tote. Eines Nachts konnte ich beobachten, wie die Eisenbahnlinie Roslawl-Briansk an sehr vielen Stellen in die Luft flog.

Ruhiges Pfingstfest

Freitag, 2. Juli 1943

Es kam uns wie ein Geschenk des Himmels vor, daß die Tage und Nächte vor und nach Pfingsten völlige Ruhe in der Luft war. So konnten wir uns einmal recht erholen und der Magen kam dabei auch nicht schlecht weg. Zur abendlichen Ausgelassenheit waren die reichlichen Marketenderwaren bestimmt. Sie erfüllten ihren Zweck in der richtigen Weise. Ende Juni/Anfang Juli nahm die feindliche Lufttätigkeit stark ab. Aber immer noch flogen unsere [Heinkel] He 111 und [Junkers] Ju 88. Großeinsätze in den Raum von Orel. Das ging ununterbrochen. Ein fantastischer Anblick war jedes Mal, wenn ein Verband Ju 88 zurückkam und die Maschinen nacheinander im Sturzflug auf Tiefe gingen. In diesen Bewegungen erkannte ich, daß schon ein im Sturzflug niedergehendes Flugzeug eine herbe moralische Erschütterung des Gegners haben muß. Das Wetter war schön. Einfach herrlich. Eines Tages da kam einmal ein schweres Gewitter und da bekam einer beim Telefonieren einen elektrischen Schlag, von einem Blitze herrührend. Seitdem wurde der Hörer nur noch mit Widerwillen bei Gewittern angegriffen. In den letzten Junitagen erfolgte meine Aufnahme in die B I. Seitdem nahm ich teil an Freud und Leid dieser Gemeinschaft. Nach und nach habe ich dort großes Selbstvertrauen und Verantwortungsgefühl erworben, was mir für mein späteres Leben von großem Nutzen war.

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