Der Einschlag

7. Juni 1943

Immer noch flogen unsere Maschinen Großeinsätze. Noch immer nicht kam der russische vermutete Großangriff. Die Ungewißheit, ob der Russe kommt und wann er kommt, lag wie eine drückende Last auf uns, bis bei uns am 6. Juni im wahrsten Sinne des Wortes die Bombe platzte und wir Mittelpunkt des Luftabwehrkampfes wurden.

Am Nachmittag des 6. Juni besuchte ich mit Kamerad Rudolf Dölle das Kino. Es lief der Farbfilm „Die goldene Stadt“. Nach dessen Vorführung gingen wir zur Abwechslung über das Rollfeld, besahen uns dort abgestellte Maschinen und bestaunten deren Ausmaße und Einrichtungen. In einem kleinen Gehölz guckten wir uns abgelagerte Bomben an. An einer besonders großkalibrigen Bombe sagte Dölle zu mir: „Wo die einschläge, möchte er nicht sein!“ Es war wie eine Vorahnung, schon einige Stunden später war Dölle so einer Bombe zum Opfer gefallen.

Es war eine Nacht wie jede andere auch. Sternenklar und kühl. Wieder war eine sehr lebhafte feindliche Flugtätigkeit. Motorengeräusche hörten wir aus allen Richtungen. Auf dem Fliegerhorst konnten wir schon sehr viele Einschläge feststellen. Zahlreiche Bomben lagen irgendwo im Gelände. Unsere Batterie schoß ohne Unterbrechung und die Zusammenarbeit mit dem FuMG [„Funkmessgerät“, heute Radar] und mit dem Scheinwerfer klappte gut.

Da war wieder eine Maschine von FM und Werfer aufgefaßt und die kam genau auf uns zu. Ich saß in der Umwertung und war mit den anderen eifrig bei der Arbeit, als plötzlich zwei sehr laute Explosionen uns erschreckten. Die Lichter wurden durch den Luftdruck gelöscht. Fensterscheiben klirrten und die Scherben und Staub flogen uns um die Köpfe. Ich kroch in der ersten Aufregung unter den Tisch. Nach diesen Einschlägen war einige Augenblicke Totenstille. Wir wollten hören, ob noch weitere Einschläge kommen. Da plötzlich gellte der Ruf „Sanitäter“ aus dem B I Stand zur Batterie hinunter. Wir unten in unserer Bude ahnten fürchterliches. Nachdem unser Eingang von etwas heruntergefallener Erde frei war, gingen wir hinauf in den B I Stand. Dort sahen wir gerade noch wie die letzten Schaufeln mit Sand auf eine große Blutlache gestreut wurden. Nun hörten wir, Rudi Dölle, der den Spitznamen „Vincenz“ führte, ist eben gestorben. Er machte Seitenrichtmann am Gerät und beim Zielauffassen nach dem Wendepunkt erfolgten die beiden Einschläge und ihn traf ein größerer Splitter in den Hinterkopf. Vom Geschütz „Dora“ wurde auch ein Mann an der Hand schwer verletzt. Wir setzten den Stahlhelm auf und sahen erst mal den Schaden an. Zwischen Batterie und B I Stand hatten zwei Bomben eingeschlagen. Das Fernleitungskabel war zerfetzt. Zwei gähnende Trichter waren dort, wo die nach meiner Schätzung etwa 250 kg schweren Bomben eingeschlagen hatten.

Sofort stellte Ufw. Theißen aus Reservekabeln die Verbindung zwischen Gefechtsstand und den Geschützen wieder her und schon der nächste Anflug wurde wieder bekämpft. Unser Scheinwerfer leuchtete ebenfalls, obwohl seine große Glasscheibe zersplittert war. Nur das FuMG mußte aussetzen, da ein Splitter den Entfernungsmesser getroffen hatte. Die Russen surrten immer noch sehr zahlreich in der Luft herum. Ich hätte am liebsten an diesem Abend gar nicht mehr geschossen und den Scheinwerfer ausgelöscht. Denn da wir nun Treffer in der Batterie hatten, schienen wir erkannt zu sein und jeder Strahl vom Scheinwerfer und jedes Aufblitzen von Mündungsfeuer verrät die Stellung. Ich bin heute noch der Meinung, daß unser Scheinwerfer getroffen werden sollte. Wir schossen noch eine ganze Weile. Olt. Siebeck eilte sofort vom Stab her in unsere Batterie.

Was die Bomben angerichtet hatten, sahen wir erst am anderen Tage. Wie sahen unsere Baracken aus. Dächer abgedeckt, Türen eingedrückt, Wände verschoben, sämtliche Glasscheiben kaputt. Im Innern lag alles durcheinander. Alle Wandbrettchen, auf denen wir unsere täglichen Gebrauchsgegenstände schön aufgestellt hatten, lagen auf dem Boden und alles was drauf stand lag irgendwo wüst durcheinander. Wir gingen sofort daran, unsere Baracken wieder in einen wohnlichen Zustand zu versetzen. Wir hämmerten und nagelten den ganzen Tag. Das Essen haben wir dabei ganz vergessen, denn die Aufregung der vergangenen Nacht lag uns noch so sehr in den Knochen, daß wir gar keinen Hunger und Appetit verspürten. Die Munitionsbestände wurden wieder aufgefüllt und unsere gefangenen Russen vergrößerten den Erdwall des B I Standes.

Eine Antwort zu “Der Einschlag”

  1. Thomas Lange meint:

    Find ich sehr interessant, kannst du mir alles als pdf schicken danke und bis bald Thomas

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