Das war knapp

11. September 1943

Kurz nach dem Mittagessen kam ein Mann aus der Protzenstellung aufgeregt zu uns gelaufen und berichtete, der Gefreite Werner, Siegfried soll schnell zum Chef auf die Schreibstube kommen. Mir fuhr augenblicklich der Schreck in die Glieder. Hatte ich vielleicht etwas verbrochen? Na, mir blieb nichts übrig, als doch mal hinzugehen. Ich kämmte die Haare, setzte das Käppi auf und schnallte das Koppel um, meldete mich ab und ging los.

Beim Chef brauchte ich mich gar nicht erst zu melden, er sah mich kommen und rief mich hin. Er frug mich ob ich Schreibmaschine schreiben und Kurzschrift dazu [kann]. Ich bejahte dies und da mußte ich mich gleich an den Tisch vor die Schreibmaschine setzen. Den ersten Bogen hatte ich gerade eingespannt, als plötzlich unsere Batterie zu schießen anfing. Wir guckten augenblicklich hinauf in den Luftraum und weiß Gott, da kam ein ziemlich starker [Petljakow] PE-2 Verband.


Sowjetische Petljakow Pe-2

Sowjetische Petljakow Pe-2

Sofort stob alles auseinander und suchte Deckung. Auch ich rannte mit fort in der Absicht, möglichst weit seitwärts hinaus zu rennen. Zuguterletzt kauerte ich mich dich in eine Fensterhöhle eines Erdbunkers und suchte dort Deckung. Und da kamen schon die Bomben. Rasend schnell kamen die Einschläge näher. Für den Bruchteil einer Sekunde sah ich einen verschwommenen Schatten herniedersausen und darauf einen, nein mehrere scharfe Explosionen. Die Fensterscheiben meiner Fensternische zersplitterten und vom Fußboden dieses Bunkers fragt mich jemand: „ist was passiert?“ Ich antwortete: „Nee, Schwein gehabt.[„] Knappe 25 m von mir entfernt schlug eine Bombenreihe ein. Emporgeschleuderter Dreck kam nach und nach wieder zum Erdboden zurück und beißender Pulverqualm erfüllte die Luft.

Ich verließ meine Deckung, da kam mir ein Infanterist in den Weg gelaufen und dieser rief immer: „Mein Arm, mein Arm!“ Ich sah nur, wie sein Unterarm an Hautfetzen schlaff herunter hing. Da mußte ich wegsehen. Im selben Moment war mein Chef hier, woher er kam, weiß ich nicht, und nahm diesen schwerverletzten Soldaten mit in einen Bunker. Während ich zu unserer Schreibstube zurückging, schaute ich noch einmal hinauf zu dem abfliegenden Verband. Diesmal sah ich es auch ganz deutlich. Eine Maschine brannte und kam als lodernde Fackel herunter und eine zweite blieb mit langer Rauchfahne zurück. Da sämtliche Bombenwürfe in und außerhalb Buda Staraja lagen, dachte ich so bei mir: „Hoffentlich ist hier unten in der Protze alles gut gegangen!“ In Sorge war ich auch um meinen Freund Gerhard, der mit oben in der Stellung am Gerät stand.

Ein Mann von uns brachte uns die Nachricht. „Nicolai ist gefallen!“ Ich dachte sofort an unseren hilfswilligen Nicolai, diesen jungen, zuverlässigen Menschen. Ich ging auch dorthin, wo es passiert war. Der Tote lag noch da. Er war nicht schnell genug in Deckung gekommen und eine dicht hinter i[h]m einschlagende Bombe wurde ihm zum Verhängnis. Sein ganzer Rücken war zerfetzt. Es war aber nicht unser junger, bei allen gern gesehener Nicolai, sondern ein Kriegsgefangener gleichen Namens, der sich in Sechtschinskaja als Hilfswilliger verpflichtet hatte. Neben den schon mit Grundwasser gefüllten Bombentrichtern schaufelten ihm die anderen Hilfswilligen ein Grab.

Als der ganze Tumult vorüber war, kehrte alles so nach und nach an seinen Platz zurück. Das erste war, als Oblt. Reineking zur Schreibstube zurückkam, er rief die Feuerstellung an und frug Lt. Kruchen, der erst am Vormittage aus dem Urlaub zurückkehrte, ob etwas passiert sei. Lt. Kruchen sagte, es sei alles noch in bester Ordnung. Wie mir mein Freund Gerhard am Abend erzählte, war die B I in Sorge um mich, weil das Gerücht herumging, daß die Protzenstellung einige Volltreffer erhielt.

Nach diesem Bombenangriff befahl unser Chef sofortigen Stellungswechsel der Protzenstellung. Ich half mit die Schreibstubensachen aufzuladen und dann fuhren wir los in einen einige km entfernten Wald, wo schon die anderen Batterien ihren Troß untergebracht hatten. Ein geeigneter Platz war bald gefunden. Dort wurde der ganze Kram wieder ausgepackt. Ich wurde dazu gebraucht, um einen Kampfbericht über den letzten Erdeinsatz aufzunehmen. An diesem Tage wurde nicht viel fertig gebracht. Abends wurde ich mit einem Kfz. wieder in die Stellung zurückgebracht.

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